Alvion - Meister der Täuschung
(Band 2 des Abagit Zyklus)
Der Angriff auf die Heimat der Lynen hält unvermindert an und Alyra ist weiter von der Außenwelt abgeschnitten. Völlig im Ungewissen über das Schicksal ihrer Familien erringen Alvion, Tian und Abax trotzdem unbeirrt einzelne Erfolge gegen die äußerst hinterhältig agierenden Abagit.
Abax ist mit einigen Gefährten auf dem Weg nach Neu-Genia, um dort die Pläne der Abagit zu vereiteln. Tian dringt nach Kragien vor, dorthin, wo der erste Angriff auf Alyra seinen Ursprung hatte, Alvion will in Perlia Mereus, den solischen Kopf der Verschwörung und möglichst auch seine Hintermänner ausschalten.
Doch Tian gerät in die Hände einer Sanlaru und Alvion tappt in die perfideste Falle, die ihm je gestellt wurde. Seine Rettung liegt ausgerechnet in der Hand alter Feinde. Das Netz der Verschwörung, das die Abagit über ganz Velia gespannt haben, scheint unzerstörbar doch sie haben den Widerstand der Lynen unterschätzt...
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Leseprobe
Nach dem Ende ihres Gespräches zitterte Tian immer noch am ganzen Körper und eine entsetzliche Furcht schien ihn von innen heraus verschlingen zu wollen. Natürlich gab es niemanden sonst, bei dem er seine Tochter sicherer gewähnt hätte, aber Fiona sollte zuhause bei ihrer Mutter sein, nicht bei Alvion in Nordsolien. Seine Sorge um seine Familie erreichte in diesen Augenblicken neue, ungekannte Höhen und es kostete ihn unfassbare Mühe, die Furcht niederzukämpfen, dass Mytia, Nathan und Ctesian tot waren und seine Tochter das einzige war, was ihm noch blieb. Das Gefühl, nun wochenlang ausharren zu müssen, bis Alvion sie zu ihm brachte, trieb ihn beinahe zur Verzweiflung, die er schließlich nicht länger ertrug. Er musste aus dieser Kammer heraus, sonst würde er wahnsinnig werden!
Draußen angekommen achtete Tian nicht auf seinen Weg, als er in ohnmächtiger Verzweiflung durch die nächtlichen Straßen Tepas stolperte, stattdessen taumelte er wie ein Betrunkener, hin und hergeworfen zwischen abgrundtiefer Sorge und Verzweiflung einerseits und kochender, glühend heißer Wut andererseits. Ein Teil von ihm, derjenige, der noch zu vernünftiger Überlegung fähig war, registrierte genau, dass er auf der Suche nach einer Gelegenheit war, sich abzureagieren. Der Gefühlssturm, der in ihm tobte, musste irgendwohin, brauchte irgendein Ventil und so hoffte er beinahe, einem Straßenräuber in die Arme zu laufen, während die gleiche nüchterne Stimme in seinem Kopf ihm sagte, dass er sich wie ein Idiot benahm. Dennoch konnte er nicht anders und irrte weiter ziellos durch die Stadt.
Natürlich begegnete er niemandem, nicht einmal Straßenräubern oder einer Patrouille, was ihm, selbst in seinem aufgewühlten Zustand, irgendwann merkwürdig vorkam, darum blieb er ein erstes Mal stehen. Nachdem er sich umgesehen hatte, stellte er verärgert fest, dass er nicht wusste, wo er war und nun einen Großteil der restlichen Nacht damit verbringen durfte, sein Quartier wiederzufinden. Er wählte die Richtung, von der er glaubte, dass sie ihn zum zentralen Marktplatz führen würde und setzte sich wieder in Bewegung. Von dort aus fand er den Gasthof auf jeden Fall wieder. Er vermochte nicht genau zu sagen, wie lange er wieder unterwegs war, als er bemerkte, dass ihm heimlich jemand folgte.
Mit einem verschlagenen Lächeln, das ihr Opfer nicht sehen konnte, schloss Lara die Türe zu ihrer Kammer in dem schäbigen Gasthof auf. Sie hatte den ihr bezeichneten Mann auf der Straße aufgelesen und ihn früher wohl als ungeeignet verworfen, denn er war überhaupt nicht ängstlich, obwohl er bemerkt hatte, dass sie ihm folgte. Sie war noch nicht einmal bis zum Ende ihrer Überlegungen gelangt, da war er bereits stehengeblieben und hatte sie aufgefordert, ihr Versteckspiel zu beenden. Das war ihr so noch nie passiert, normalerweise flößte ihre Aura jedem gewaltiges Unbehagen ein, ehe ihr Anblick es vorerst beseitigte und das Denken ihres Opfers einlullte. Das war diesmal anders gewesen als sonst. Ihre äußere Erscheinung, die einer wohlgeformten, ungemein attraktiven, sehr jungen und spärlich bekleideten Frau mit sinnlichen Lippen und großen unschuldigen Augen, bewirkte normalerweise, dass ihr Ausersehener seine Furcht vergaß, das Denken einstellte und nur noch seine Begierde im Kopf hatte. Dieser hier nicht. Er hatte sie interessiert gemustert, aber keineswegs die übliche Lüsternheit in seinem Blick gehabt, doch er hatte sich trotzdem schnell überzeugen lassen, als sie ihm mit seiner Attraktivität schmeichelte und ihm nie gekannte Lust versprach und schien voller Vorfreude zu sein, als er ihr das kurze Stück zum Gasthof und dort durch die Hintertür die Treppe hinauf folgte.
„Leg deine Kleidung ab!“, hauchte sie verführerisch, als er an ihr vorbei in die Kammer trat. Der Raum war stockfinster und enthielt nur ein Bett mit einem Tischchen daneben und einen soliden, alten Schrank und die Bodendielen knarzten ächzend, als sie eintrat. Sie mühte sich, ein unschuldiges Lächeln aufzusetzen, drehte sich um und entzündete die Lampe auf dem Tischchen mit der Kerze in ihrer Hand, ehe sie sie ausblies. Die Lampe schuf nur wenig Licht, dafür umso tiefere Schatten, doch es genügte um sie erkennen zu lassen, dass der Mann keine Anstalten machte, sich seiner Kleidung zu entledigen.
„Ich verstehe“, flüsterte sie mit einem verführerischen Lächeln und streifte die Träger ihres hauchdünnen, sehr knappen Kleides ab und ließ es einfach zu Boden gleiten. „Du brauchst ein wenig Ermunterung“, fügte sie aufreizend hinzu, als sie nackt vor ihm stand. Er musterte sie, doch sein Blick wirkte jetzt überhaupt nicht lüstern und noch einmal befiel sie das Gefühl, dass hier irgendetwas seltsames vorging. Dann aber überwand sie dieses letzte Zögern und schickte sich an, die Lücke zwischen ihnen zu schließen.
Tian blickte die extrem attraktive Gestalt an, die auf ihn zutrat und zwang sich zu einem Lächeln. Er vermochte sich sehr gut vorzustellen, dass bei diesem Anblick schon viele Männer jegliche Selbstbeherrschung verloren hatten und ertappte sich selbst dabei, dass er ihre wohlgeformten Brüste bereits etwas zu lange musterte. Sein Gegenüber hatte es bemerkt und ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht und sie schickte sich an, den letzten Schritt auf ihn zuzumachen. Der Schlag, den er ihr unvermittelt versetzte, traf sie vollkommen unvorbereitet.
In dem Augenblick, der zwischen Tians Hieb und ihrem schmerzhaften Aufprall an der Wand lag, wurde Lara blitzartig bewusst, dass sie einen schweren Fehler gemacht hatte. Ihr blieb jedoch keine Zeit darüber nachzudenken, denn noch während der Schmerz durch ihren Körper fuhr, spürte sie bereits seinen starken, brutalen Griff an ihrem Hals und die gewaltige Macht, die dieser Mann besaß. Ruckartig wurde sie vom Boden in die Höhe gerissen und hart gegen die Wand gepresst. Er war ein gutes Stück größer und hielt sie auf Höhe seines Gesichts, so dass nur noch ihre Zehenspitzen den Boden berührten. Seine Miene war entschlossen und hart, als sich sein Gesicht langsam dem ihren näherte und nur einen fingerbreit vor der Berührung innehielt.
„Ich weiß, was du bist und was du tust!“, zischte er leise, aber sehr bedrohlich. „Und jetzt will ich ein paar Antworten von dir!“
Der Angriff erfolgte so abrupt und brutal, dass er Tian völlig unvorbereitet traf und ihn einmal quer durch den Raum und gegen eine Wand schleuderte. Jedes Bisschen Luft wurde ihm aus den Lungen gequetscht und er hörte förmlich, wie in seinem Rücken etwas mit einem grässlichen Knirschen brach. Augenblicklich gelangte er zu der Schlussfolgerung, dass er so gut wie erledigt war. Das Gefühl im nächsten Moment war ihm bekannt, er hatte es auf Alyra schon einmal gehabt, als Nabirye ihn, Alvion und Abax mit seiner ganzen Macht angegriffen hatte und er fand in den zerschmetterten Überresten seines Körpers nicht mehr die Kraft um auch nur den Versuch einer Gegenwehr zu machen. Zu seiner Überraschung ließ es jedoch sofort wieder nach und Tian merkte, dass er zwei Gegnern gegenüber stand, oder besser gesagt, lag. In Gegenwart der jungen Verführerin hatte er exakt das gefühlt, was ihm der Alte im Gasthof zuvor berichtet hatte, nämlich dass er einem gefährlichen Raubtier gegenüberstand. Als der Angriff erfolgt war, hatte er noch kurz gedacht, dass er sie unterschätzt hatte und dass sie dafür verantwortlich war, doch das war nicht der Fall, denn sie sagte in diesem Moment mit unterwürfiger und ehrfurchtsvoller Stimme: „Danke, Herrin!“
Es war eindeutig, dass diese Worte nicht an Tian gerichtet waren und dass sie damit unwillentlich deren Aufmerksamkeit von Tian weg auf sich selbst richtete.
„Halt den Mund, Lara!“, wies eine zweite weibliche Stimme sie heftig zurecht. Es war nur ein kurzer Moment, doch er reichte aus, um ihn Zuflucht zu einem letzten, verzweifelten Ausweg nehmen zu lassen. Er sandte seinen Ruf zugleich Alvion und Abax entgegen und formte in seinem Kopf zwei Bilder, von denen er hoffte, dass sie sie verstehen würden. Danach tat er das Gleiche, was seine Frau einst in Tarien getan hatte: Er zog sein Bewusstsein tief in sein Innerstes zurück und verschloss es nach außen. Sein letzter bewusster Gedanke galt der Hoffnung, irgendwann wieder zu erwachen. Einen Heilzauber, auf den Abax und Alvion später hofften, setzte er jedoch nicht in Gang. Er war in dieser Art Magie, die der Argion in ihm hätte wirken müssen, nicht bewandert und seine Wirkung wäre ohnehin nur gering gewesen. Außerdem blieb ihm keine Zeit mehr, einen Gedanken an seinen zerschmetterten Körper zu verschwenden. Es ging nur noch darum, sein Bewusstsein aus der Reichweite der Sanlaru zu bringen.
Als Lausete sich wieder zu ihrem Gefangenen herumdrehte, lag Tian regungslos auf dem Rücken und seine Augen starrten ins Leere. Kurz flackerte Zorn auf sich selbst auf, dass sie zu weit gegangen und diesen so wertvollen Gefangenen versehentlich getötet hatte, dann sah sie dass sich seine Brust langsam hob und wieder senkte. Sie konzentrierte sich und drang mit brutaler Gewalt in seinen Geist vor, doch sie traf auf keinerlei Widerstand. Sie fand nichts als Leere und inmitten dieser Leere eine winzige, schwarze Kugel, deren Natur ihr zunächst verborgen blieb. Erst nach und nach fand sie heraus, dass ihr Gefangener sein gesamtes Wesen in dieser Kugel eingeschlossen hatte. Ein erster, nicht einmal ernst gemeinter Versuch, sie aufzubrechen, glitt völlig ins Leere und so zog sie sich erst einmal zurück und stieß einen anerkennenden, leisen Pfiff aus. Tungajar, Ketera und vor ihnen Nabirye waren noch größere Idioten, als sie bisher angenommen hatte. Wie hatten sie dieses Volk nur so vollständig unterschätzen können? Ihre Gedanken kehrten zu ihrer Befürchtung zurück, ihn versehentlich tödlich verletzt zu haben und so fuhr sie in geringem Abstand über seiner Kleidung mit ihren Händen über seinen Körper, um zu erfühlen, wieviel Schaden sie angerichtet hatte. Schnell stellte sie fest, dass er nicht mehr lange zu leben hatte...
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